Der Herzalarm und der Lipizzaner

Der Herzalarm

(und der Lipizzaner)

   
  
Es ist früher Nachmittag, als auf einer  chirurgischen Abteilung der Herzalarm ausgelöst wird: Bei Eintreffen des Herzalarmteams ist der Pat. bereits teilweise kontaktierbar, die Ursache für den Herzalarm war ein dissoziativer Anfall des Patienten. 

  
Bei Durchsicht der Befunde finden sich ein Angiomyolipom der linken Niere und Epilepsie mit fokal eingeleiteten sekundär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen unter den zahlreichen Diagnosen. Die Frage eines Teammitgliedes, ob bei diesem Pat. bereits nach einer Tuberösen Sklerose gesucht worden wäre, wird verneint.

Also: man sieht ein Tier von der Statur eines Pferdes, schwarz weiß gestreift. Jeder, der bisher damit zu tun hatte, ging davon aus, daß es sich um einen zufällig mit schwarzen Streifen verzierten Lipizzaner handelte und niemand dachte an ein Zebra.

Lipizzaner, noch bevor ihn lustige Zeitgenossen mit schwarzen Streifen verzierten



  
Kurz zur Prävalenz der einzelnen Erkrankungen, um den - zugegeben etwas bissigen - Vergleich Lipizzaner : Zebra mit Zahlen zu untermauern:


 
Das Auftreten von Epilepsie wird in Österrreich mit einer Prävalenz von 4-8 / 1000 Einwohner angegeben [ www.epilepsie.at  , d.i. die Homepage des Epilepsie Dachverbandes Österreich], das der sporadischen Angiomyolipome der Niere mit 3 / 1000 (bei Autopsien) bzw. 1/ 1000 (in der Sonographie) [ https://www.urologielehrbuch.de/angiomyolipom.html  ].
    
           Rechnen wir zum Vorteil der Kollegen mit den höheren Zahlen, so ergibt sich für das zufällige gemeinsame Auftreten beider Erkrankungen eine Wahrscheinlichkeit von
8 / 1000   x   3 / 1000   =   0,000024
, das sind 2,4 Patienten bei 100 000 Einwohnern. (Gerechnet mit den niedrigeren Zahlen: 4/1000 x 1/1000 = 0,000004, das wären nur 4 Patienten auf 1 Million - das ist zu unwahrscheinlich; außerdem gilt der Faktor 1/1000 nur für die in der Sonographie gefundenen Angiomyolipome. Tatsächlich kommen die ja öfter vor.)
 


Die Prävalenz der Tuberösen Sklerose beträgt 1 : 20 000 ([ https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4080684/ ]; teilweise aber auch mit 1:6000 bis 1:10 000 angegeben). Rechnen wir, wieder zum Vorteil der Kollegen, hier mit der niedrigeren Prävalenz von 1: 20 000, so sind das immer noch 5 Patienten bei 100 000 Einwohnern.
 




Das heißt, daß der Pat. des Herzalarmes mindestens doppelt so wahrscheinlich eine Tuberöse Sklerose hat, als zufällig Epilepsie und ein sporadisches Angiomyolipom gemeinsam. Nimmt man auch noch das in diesem Fall auffällige psychische Verhalten  ( dissoziativer Anfall) dazu, steigt die Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins einer  Tuberösen Sklerose weiter. Man denke hier an die TAND (TSC associated neuropsychiatric disorders).



Zebra oder zufällig mit schwarzen Streifen verzierter Lipizaner?
Eine genetische Untersuchung erscheint im oben beschriebenen Fall wünschenswert, v.a., um eine Vererbung von Tuberöser Sklerose aufzudecken oder erfolgreich nicht nachzuweisen. Wobei anzumerken bleibt, daß derzeit bei 10 - 25% der TSC-Patienten keine Mutationen am TSC 1 oder TSC 2 Gen nachzuweisen sind [ https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4080684/ ]. Das heißt natürlich, daß bei entsprechend negativem genetischen Befund trotzdem eine ausführliche klinische Untersuchung angebracht ist.
   

Und vielleicht hat der Patient vom Herzalarm ja wirklich zufällig Epilepsie und Angiomyolipome an der Niere gleichzeitig.
    
 Nur weil es SELTEN ist, heißt es nicht, daß es NICHT ist.




Okay, das ist kein verkleideter Lipizzaner
Aber: der obige Fall zeigt, wie es zur Dunkelziffer der nicht diagnostizierten TSC-Patienten kommt.
  

Wir denken zu selten daran!

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